Neues
vom föderalen Kampf ums Geld
Koalitionen jeder Farbe haben das Thema in Angriff genommen. Gebracht
hat es bisher nichts. Das System der Gewerbesteuer - typisch deutsch,
da extrem kompliziert - blieb unverändert. Jetzt soll es eine neue
Kommission richten. Ergebnis offen.
von
Jens Tartler Berlin
Einen
kreativen Umgang mit der Finanznot hat das Dorf Niederzimmern bei Weimar
gefunden: Die Schlaglöcher in einer Straße werden für
50 Euro pro Stück verkauft. Wenn alle Löcher gefüllt sind,
sollen Plaketten eingelassen werden. Die Aufschrift kann sich der jeweilige
Käufer aussuchen und sich dann "quasi als Besitzer eines Schlaglochs
fühlen", wie Bürgermeister Christoph Schmidt-Rose (CDU)
dem MDR sagte. Bisher seien drei Löcher verkauft worden.
Durch diese Aktion wird die Kommission zur Reform der Kommunalfinanzen
sicher nicht überflüssig werden. Am Donnerstag trafen sich Finanz-
und Innenminister des Bundes und einiger Länder mit Vertretern der
Kommunalverbände. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ließ
sich bei der Auftaktsitzung von Staatssekretär Hans Bernhard Beus
vertreten, Städtetagspräsidentin Petra Roth (alle CDU) fehlte
wegen Urlaub.
Futterneid: Der Bund will den Kommunen ans Geld. Doch die Städte
wollen die Gewerbesteuer nicht aufgeben
Die
Experten nahmen ein Thema in Angriff, an dem sich schon viele Kommissionen
vor ihnen die Zähne ausgebissen haben. Geht es um die Kommunalfinanzen,
stellt sich eine Frage immer besonders schnell: Soll die Gewerbesteuer
abgeschafft werden oder nicht?
Bis zum Herbst will die hochkarätige besetzte Runde einen Vorschlag
zur Abschaffung der umstrittenen Gewerbesteuer machen. Schon bei der ersten
Sitzung wurde deutlich, dass die Kommunen eigentlich an ihrer wichtigsten
Steuer festhalten würden. Einen handfesten Konflikt mit dem Bund
können sie aber kaum riskieren. Denn sie brauchen die Hilfe der schwarz-gelben
Regierung, weil ihnen die Sozialausgaben wegen der Rezession aus dem Ruder
gelaufen sind.
Die
Wirtschafts- und Finanzpolitiker in der Union und mehr noch in der FDP
würden diese Steuer am liebsten sofort streichen. Die Städte
und Gemeinden - unterstützt von den Kommunalpolitikern in der CDU/CSU
- verteidigen dagegen die Gewerbesteuer eisern. Sie halten alle Alternativen
für schlechter.
Die FDP schlägt vor, als Ausgleich für die Abschaffung der Gewerbesteuer
den Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer von heute 2,2 Prozent auf
11,5 Prozent anzuheben. Außerdem sollen Kommunen das Recht bekommen,
einen Zuschlag auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer zu erheben.
Dieses Modell hat auch die Unterstützung der Wirtschafts- und Finanzexperten
der Union.
In einem ersten Schritt sollen die Bemessungsgrundlagen der Körperschaftsteuer
und der Gewerbesteuer angeglichen werden. Für die Personenunternehmen,
die Einkommensteuer zahlen, wäre eine Angleichung bei der Einkommensteuer
und der Gewerbesteuer nötig.
Ein ähnliches Modell hatten bereits 2001 der Bundesverband der Deutschen
Industrie und die Chemieindustrie entwickelt. In der Gemeindefinanzreform
2002/03 konnte sich die Wirtschaft aber nicht durchsetzen.
Kleine
und große Lösungen
Als kleinere Lösung versuchten der damalige Bundeskanzler Gerhard
Schröder und sein Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD),
die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer von allen gewinnunabhängigen
Elementen wie Mieten, Zinsen und Pachten zu befreien. Das fordert die
Wirtschaft schon seit Jahren. Ihre Begründung: Die Besteuerung dieser
Elemente führe dazu, dass Unternehmen selbst in Verlustphasen Gewerbesteuer
zahlen müssten. Schröder und Clement nahmen diese Argumentation
auf, scheiterten aber am Widerstand der rot-grünen Bundestagsfraktionen.
Die Kommunallobby war zu stark.
Auch die Stiftung Marktwirtschaft fand bei den Beratungen zur Unternehmenssteuerreform
2008 mit einem weiterentwickelten Zuschlagsmodell kein Gehör. Der
damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) scheute einen großen
Umbau des Steuersystems.
Auch in der neuen Reformkommission werden die Kommunen wieder ihre Argumente
gegen die Abschaffung der Gewerbesteuer vorbringen. Grundsätzlich
fürchten sie, dass ihnen ihre wichtigste eigene Einnahmequelle genommen
wird und sie bei der Kompensation übervorteilt werden. Zum anderen
sagen sie, dass die Umsetzung des Zuschlagsmodells zu kompliziert wäre:
Unternehmen müssten Hunderte von verschiedenen Zuschlägen bei
der Lohnsteuerabrechnung berücksichtigen - je nachdem, wo die Mitarbeiter
wohnen. Auch die Aufteilung zwischen Städten, wo viele Firmen sitzen,
und dem Umland sei schwierig. Viel spricht dafür, dass diese Kommission
so endet wie alle vor ihr.
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