FINANCIAL TIMES Deutschland - online-Angebot unter ftd.de vom 4.3.2010
 

Neues vom föderalen Kampf ums Geld
Koalitionen jeder Farbe haben das Thema in Angriff genommen. Gebracht hat es bisher nichts. Das System der Gewerbesteuer - typisch deutsch, da extrem kompliziert - blieb unverändert. Jetzt soll es eine neue Kommission richten. Ergebnis offen.

von Jens Tartler Berlin

Einen kreativen Umgang mit der Finanznot hat das Dorf Niederzimmern bei Weimar gefunden: Die Schlaglöcher in einer Straße werden für 50 Euro pro Stück verkauft. Wenn alle Löcher gefüllt sind, sollen Plaketten eingelassen werden. Die Aufschrift kann sich der jeweilige Käufer aussuchen und sich dann "quasi als Besitzer eines Schlaglochs fühlen", wie Bürgermeister Christoph Schmidt-Rose (CDU) dem MDR sagte. Bisher seien drei Löcher verkauft worden.
Durch diese Aktion wird die Kommission zur Reform der Kommunalfinanzen sicher nicht überflüssig werden. Am Donnerstag trafen sich Finanz- und Innenminister des Bundes und einiger Länder mit Vertretern der Kommunalverbände. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ließ sich bei der Auftaktsitzung von Staatssekretär Hans Bernhard Beus vertreten, Städtetagspräsidentin Petra Roth (alle CDU) fehlte wegen Urlaub.

Futterneid: Der Bund will den Kommunen ans Geld. Doch die Städte wollen die Gewerbesteuer nicht aufgeben

Die Experten nahmen ein Thema in Angriff, an dem sich schon viele Kommissionen vor ihnen die Zähne ausgebissen haben. Geht es um die Kommunalfinanzen, stellt sich eine Frage immer besonders schnell: Soll die Gewerbesteuer abgeschafft werden oder nicht?
Bis zum Herbst will die hochkarätige besetzte Runde einen Vorschlag zur Abschaffung der umstrittenen Gewerbesteuer machen. Schon bei der ersten Sitzung wurde deutlich, dass die Kommunen eigentlich an ihrer wichtigsten Steuer festhalten würden. Einen handfesten Konflikt mit dem Bund können sie aber kaum riskieren. Denn sie brauchen die Hilfe der schwarz-gelben Regierung, weil ihnen die Sozialausgaben wegen der Rezession aus dem Ruder gelaufen sind.

Die Wirtschafts- und Finanzpolitiker in der Union und mehr noch in der FDP würden diese Steuer am liebsten sofort streichen. Die Städte und Gemeinden - unterstützt von den Kommunalpolitikern in der CDU/CSU - verteidigen dagegen die Gewerbesteuer eisern. Sie halten alle Alternativen für schlechter.
Die FDP schlägt vor, als Ausgleich für die Abschaffung der Gewerbesteuer den Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer von heute 2,2 Prozent auf 11,5 Prozent anzuheben. Außerdem sollen Kommunen das Recht bekommen, einen Zuschlag auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer zu erheben. Dieses Modell hat auch die Unterstützung der Wirtschafts- und Finanzexperten der Union.
In einem ersten Schritt sollen die Bemessungsgrundlagen der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer angeglichen werden. Für die Personenunternehmen, die Einkommensteuer zahlen, wäre eine Angleichung bei der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer nötig.
Ein ähnliches Modell hatten bereits 2001 der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Chemieindustrie entwickelt. In der Gemeindefinanzreform 2002/03 konnte sich die Wirtschaft aber nicht durchsetzen.

Kleine und große Lösungen
Als kleinere Lösung versuchten der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD), die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer von allen gewinnunabhängigen Elementen wie Mieten, Zinsen und Pachten zu befreien. Das fordert die Wirtschaft schon seit Jahren. Ihre Begründung: Die Besteuerung dieser Elemente führe dazu, dass Unternehmen selbst in Verlustphasen Gewerbesteuer zahlen müssten. Schröder und Clement nahmen diese Argumentation auf, scheiterten aber am Widerstand der rot-grünen Bundestagsfraktionen. Die Kommunallobby war zu stark.
Auch die Stiftung Marktwirtschaft fand bei den Beratungen zur Unternehmenssteuerreform 2008 mit einem weiterentwickelten Zuschlagsmodell kein Gehör. Der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) scheute einen großen Umbau des Steuersystems.
Auch in der neuen Reformkommission werden die Kommunen wieder ihre Argumente gegen die Abschaffung der Gewerbesteuer vorbringen. Grundsätzlich fürchten sie, dass ihnen ihre wichtigste eigene Einnahmequelle genommen wird und sie bei der Kompensation übervorteilt werden. Zum anderen sagen sie, dass die Umsetzung des Zuschlagsmodells zu kompliziert wäre: Unternehmen müssten Hunderte von verschiedenen Zuschlägen bei der Lohnsteuerabrechnung berücksichtigen - je nachdem, wo die Mitarbeiter wohnen. Auch die Aufteilung zwischen Städten, wo viele Firmen sitzen, und dem Umland sei schwierig. Viel spricht dafür, dass diese Kommission so endet wie alle vor ihr.