Freies Wort - Online-Ausgabe unter freies-wort.de vom 9.3.2010 |
Lustige
Idee verfängt: 52 Schlaglöcher verkauft
Um regelrechte Krater in der Straße müssen Autos in Niederzimmern
kurven. Niederzimmern - Die Straße am Ortsrand von Niederzimmern ist ein einziger Hindernisparcours. Ein Transporter fährt in Schlangenlinien um die Schlaglöcher herum. Ein Fahrer muss sein Auto kurz stoppen, um dann ganz langsam durch ein mit Wasser gefülltes Loch durchzufahren. Ein weiterer hält an, kurbelt das Fenster herunter, zeigt auf einen besonders tiefen Krater und ruft: «Das Loch gehört mir, dafür hab ich bezahlt.» Vielleicht stimmt das sogar. Denn Niederzimmern im Weimarer Land verkauft seit einer Woche seine Schlaglöcher für 50 Euro pro Loch. 52 Käufer hätten das Geld schon überwiesen, sagt Bürgermeister Christoph Schmidt-Rose (CDU) am Montagmittag. «Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet», freut er sich über die Resonanz. Der Thüringer Innenminister Peter Huber (CDU) sei ebenfalls unter den Spendern, die mit ihrer Überweisung das Bitumen zum Verfüllen jeweils eines Schlagloches bezahlen wollen. Sobald das Wetter es zulässt, sollen die Löcher geflickt werden. Als Dank sollen die Geldgeber dafür eine Plakette mit einer Inschrift ihrer Wahl neben dem Schlagloch erhalten. Die Aktion «Teer muss her» solle einfach nur «eine lustige Idee» sein, sagt Schmidt-Rose. Die Gemeinde hätte die Straßen so oder so flicken müssen. Die «lustige Idee» hat den kleinen Ort mit etwas über 1000 Einwohnern, auf halber Strecke zwischen Erfurt und Weimar, schlagartig deutschlandweit bekanntgemacht. Journalisten befragen Einwohner. Selbst die britische BBC war am Freitag bei Bürgermeister Schmidt-Rose.
Mit ihrer Schlagloch-Verkaufsaktion hat die Gemeinde im Weimarer Land
selbst im Ausland Aufmerksamkeit erregt. Die
Einwohner nehmen den Rummel gelassen hin. Im Lebensmittelladen im Dorfkern
lacht Verkäuferin Gundula Wenzel ein wenig, als sie auf die Aktion
angesprochen wird. Ja, das sei schon ganz gut. «Aber eigentlich
müsste die Straße mal richtig gemacht werden.» Immer
wieder würden die Schlaglöcher nur notdürftig geflickt.
Ein Rentner auf einem Fahrrad hält die Aktion für einen «Witz».
«Wer soll denn da Geld für geben?» fragt er. Dass bereits
52 Spender überwiesen haben, scheint er nicht zu wissen. Auch andere Gemeinden reagieren offenbar zurückhaltend auf die Idee. Bei Schmidt-Rose hat sich bisher keine gemeldet. Und auch beim Deutschen Städte- und Gemeindebund sind Nachahmeraktionen nicht bekannt. Ein Sprecher findet die Idee der Thüringer Gemeinde auf jeden Fall «ganz spannend». Er hält sie allerdings auch für «reine Symbolpolitik». «Unserem Anliegen, die Finanzsituation der Kommunen zu verbessern, hilft sie nicht weiter.» Der Städte- und Gemeindebund rechnet nach dem langen Winter allein in diesem Jahr mit Kosten von 2,5 Milliarden Euro zur Behebung der Straßenschäden in deutschen Kommunen. Allein könnten sie das nicht bewältigen, warnt der Verband. Schmidt-Rose behauptet nicht, mit der «Teer muss her»-Idee die Lösung gefunden zu haben. Er will erstmal die Straßen so hinkriegen, dass die Autos einigermaßen drüberfahren können. «Kein Bürgermeister hat so viel Geld, dass er alles auf einmal machen kann.» Die Aktion solle nicht zu Ernst genommen werden. «Es soll eine lustige Idee bleiben», sagt er. (ddp) |