FINANCIAL TIMES Deutschland - online-Angebot unter ftd.de vom 18.3.2010
 

Der Herr der Schlaglöcher
Ein Schwabe nimmt sich der deutschen Schlaglochproblematik an und hält damit die Behörden auf Trab. Andernorts wird ein eher kreativer Umgang mit den Löchern gepflegt. Den einen dienen sie als Kunstobjekte, anderen als Sportparcours. von Isabel Gomez

Der Frost sprengt sie in den Asphalt und sobald es wärmer wird, werden sie zum Aufreger für Autofahrer und Fußgänger - Schlaglöcher. Deshalb hat Harald Kraus ihnen den Kampf angesagt. Seit rund einem Jahr verwaltet er im baden-württembergischen Eislingen die einzige bundesweite Schlagloch-Zentrale. 900 Schadensmeldungen sind seit Anfang des Jahres bei ihm eingegangen.

Auf der Homepage des Automobil-Clubs Europa nimmt Kraus ehrenamtlich Schadensmeldungen aus ganz Deutschland entgegen. Für ihn ein ernstzunehmender Auftrag, es gehe immerhin um die Verkehrssicherheit. Bei Meldungseingang bittet er oft um ein Foto, um den Schaden einschätzen zu können. Dann sucht er das zuständige Straßenverkehrsamt und leitete die Meldung weiter. Das ist nicht immer einfach, denn "die Struktur der Staßenbauverwaltung ist in Deutschland nicht enheitlich." Die zuständige Stelle bittet er um Schadensbehebung und anschließende Information über den Zustand nach der Sanierung.

Der Grund für die Verkehrssorgen

2005 begannen Kraus und der Automobil-Club mit einer Bestandsaufnahme der Krater in Fahrbahnen. Nach Ende der befristeten Aktion trudelten die Schadensmeldungen aber weiter ein. So entstand im Dezember 2009 die zentrale Meldestelle für Schlaglöcher. Kraus, stellvertretender Regionalvorsitzender des Automobilclubs für Baden-Württemberg, wurde zum Herrn der Schlaglöcher auserkoren. Die meisten Benachrichtigungen erhält er aus Nordrhein-Westfalen - mit knapp einem Viertel der Meldungen. "Auch Berlin fällt unrühmlich auf", sagt Kraus. Rund zehn Prozent der Meldungen kommen aus der Hauptstadt.
Einen anderen Weg, mit Schlaglöchern umzugehen, fand die Gemeinde Niederzimmern in Thüringen. Die ostdeutschen Krater machten Schlagzeilen, weil sie von der Verwaltung für 50 Euro versteigert werden. 138 Einzahlungsbelege seien bis Anfang der Woche eingegangen, heißt es aus dem Rathaus. Selbst aus Moskau habe sich ein Schlaglochfreund gemeldet und horrende Überweisungsgebühren in Kauf genommen, um ein Schlagloch in Thüringen sein Eigen nennen zu können.

Das Motto der Gemeinde Niederzimmern: "Teer muss her"

Bis Mitte April läuft die Aktion noch, dann werden die Straßen in Niederzimmern saniert und Plaketten neben den Schlaglöchern eingelassen. Die symbolischen Besitzer können sich darauf verewigen. Bereits jetzt steht eine Auswahl in der Plakettengalerie auf der Gemeinde-Homepage. Hier empfiehlt der Käufer "Stefan W." "Seid nett zueinander" und "Danni" verkündet "I love mops".
Die Künstler Claudia Ficca und Davide Luciano aus dem kanadischen Montreal nützen die Löcher für ihre "Schlagloch-Fotografie". Mit besonders großen Kratern in Montreal, New York und Los Angeles stellen sie Alltagsszenen nach und fotografieren das Ergebnis. "Sexy Concrete" (Sexy Beton) heißt die Fotoserie, die bisher in verschiedenen Kunst-Galerien ausgestellt wurde. Da wäscht eine rassige Südländerin ihre Wäsche auf einem Waschbrett, das sie in ein mit Wasser gefülltes Schlagloch hält. Ein hungriger junger Mann funktioniert den Krater zum überdimensional großen Pastateller um und isst sich mal so richtig satt.

In Süderlügum dienen die Schlaglöcher als Sportgeräte

Im nordfriesischen Süderlügum fand am Mittwoch gar das wohl erste Schlagloch-Minigolf-Turnier statt. Ein wegen der vielen Schlaglöcher gesperrtes Teilstück der Landesstraße 192 bot den perfekten Untergrund. Teilnehmer waren unter anderem die Landesbehörde für Straßenbau und eine Baufirma, die mit der Sanierung der Straße beauftragt ist.
Nicht ganz so kreativ sind die meisten anderen zuständigen Behörden bei der Sanierung der Löcher. Harald Kraus' Bemühungen rufen zumindest sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. "Überwiegend sind die Reaktionen konstruktiv", sagt er. Einige Behörden machen jedoch unmissverständlich klar, dass man seine Hilfe nicht brauche. Immerhin wurden mittlerweile rund zwei Drittel der gemeldeten Schlaglöcher beseitigt. Ein Erfolg, denn die Haushalte der Kommunen sind meist ebenso löchrig wie ihr Straßennetz. Der Bund gibt keinen Zuschuss für kommunale Straßensanierung und den Substanzerhalt. In Eislingen sucht man übrigens vergeblich nach einem Schlagloch. "Die Stadtverwaltung ist da sehr hinterher, mir keine Angriffsfläche zu bieten", sagt Kraus.